Martin Heuberger: „Ein Restrisiko bleibt immer“
Junioren-Nationaltrainer Martin Heuberger aus Schutterwald sieht der Handball-Weltmeisterschaft zuversichtlich entgegen. Chance für eine junge Mannschaft, „die brennt und das letzte Hemd gibt“. Sorge um die Entwicklung des Nachwuchses.
Er sei „total up to date“, versichert Martin Heuberger lachend. Ob 1. Bundesliga oder 2. Bundesliga – eigentlich schaut er sich fast jede Partie aus dem heimischen Wohnzimmer an. „So viele Spiele wie in den vergangenen Monaten habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen“, schmunzelt der Trainer der Juniorennationalmannschaft des Deutschen Handball-Bundes (DHB).
Mit Ausnahme, dass die Besuche bei seinen Schützlingen im Training oder bei Spielen ausfallen („dieser Kontakt fehlt mir aber schon“), hat der Schutterwälder derzeit beruflich so gut wie keine Einschränkungen. Die Arbeit geht weiter: regelmäßige Videokonferenzen, dazu die Trainingskonzeption. Nebenbei ist er auch noch als Referent für duales Karrieremanagement und für die Sportfördergruppe zuständig. Und dann eben die Arbeit mit dem aktuellen Junioren-Jahrgang. Letzteres ist das, was die Öffentlichkeit von seinem Job wahrnimmt.
Sicher in der „Blase“
Dennoch wurde im Dezember eine Lehrgangsmaßnahme abgesetzt. „Aus Gründen der Vorsicht, aber auch aus Rücksicht auf die hohe Spielefrequenz und damit auf die hohe Belastung für einige der Spieler“, so Heuberger. Seit Mittwoch ist man aber wieder in Warendorf zu einem Lehrgang versammelt. Die Teilnehmer kamen mit einem Negativtest in der Sportschule an und werden dort zweimal getestet. „Ich fühle mich sicher in dieser Blase“, sagt der Trainer.
Der körperliche Zustand seiner Schützlinge ist indes nicht bei allen gleich. Die Bundesligaspieler stehen im Wettbewerb, die Drittligaspieler hängen im Lockdown fest. „Schlupflöcher“ gibt es dennoch. An Olympiastützpunkten darf trainiert werden, mancher hat ein Zweifachspielrecht bei einem Bundesligisten oder einen Bundesligisten im eigenen Verein, bei dem er mittrainieren kann. „Krafttraining und Laufen gehen auf jeden Fall. Die Arbeit mit dem Ball kommt bei dem ein oder anderen dagegen zu kurz“, hat Heuberger festgestellt.
Die Auswirkungen auf den Sport, da ist sich der Schutterwälder sicher, kommen mit Verzögerung, „Diese Pause durch den Lockdown ist in der Entwicklung kaum mehr aufzuholen“, sieht der 56-Jährige dunkle Wolken am Horizont: „Das wirkt sich auf das Leistungsniveau aus. Aber im Prinzip gilt das für alle.“ Der aktuelle Junioren-Kader beispielsweise ist noch ohne große Meisterschaft. Dabei sind es gerade die großen Turniere, in denen die Toptalente ganz wichtige Erfahrungen sammeln. Die Hoffnung ruht nun auf der WM im Sommer in Ungarn.
Crossfit-Training fehlt
Persönlich hat sich Martin Heuberger mit den Corona-Einschränkungen gut arrangiert. Mund-Nasen-Schutz tragen, Kontakte im Alltag reduzieren – kein Problem. Das Crossfit-Training in der Gruppe, inklusive dem gemeinsamen Bier und Schwätzchen mit den Kumpels danach, vermisst er aber. „Alleine zu Hause trainieren und dann noch im Winter, ist nicht mein Ding“, sagt er, der ehemalige Mannschaftsspieler, offen.
Die Weltmeisterschaft in Ägypten wird er zu Hause vor dem TV-Gerät verfolgen. Dass gleich mehrere Akteure die Teilnahme absagten, kommentiert er professionell. „Das muss jeder für sich selbst entscheiden.“ Er selbst vertraut einem ausgefeilten Hygienekonzept vor Ort, „auch wenn natürlich immer ein Restrisiko bleibt“. Und er vertraut dem Kader von Alfred Gislason, dem mit Juri Knorr einer angehört, der altersmäßig noch Junior ist. „Dadurch, dass viele junge, hungrige Spieler dabei sind, werden wir eine Mannschaft haben, die brennt und das letzte Hemd gibt“, ist Heuberger überzeugt und betont: „Es ist immer noch eine gute Qualität vorhanden, um den ein oder anderen Favoriten zu ärgern.“ Gerne erinnert er da an den Champions-League-Triumph des THW Kiel. „Die waren auch Außenseiter und haben gezeigt, was mit guter taktischer Einstellung und Begeisterung möglich ist.“
Bekannter Favoritenkreis
Im Titelkampf favorisiert er die „üblichen Verdächtigen“ vorn. Also Norwegen, Dänemark, Spanien vielleicht, oder Frankreich. Durchaus skeptisch sieht Heuberger eine WM erstmals mit 32 Ländern in Pandemie-Zeiten. „Dieser Beschluss wurde schon lange vor Corona gefasst.“
Und was bringt sportlich ein Vorrundenspiel gegen die Kapverdischen Inseln? „Uns eher wenig. Denen aber viel“, erklärt Heuberger. Es gehe darum, den Handball in der ganzen Welt zu vermarkten, ihn zumindest in die Fläche zu bekommen. „Wenn kleine Länder nie die Chance haben, zu Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen zu kommen, bleibt der Handball in diesen Ländern auch klein.“
Zur Person: Martin Heuberger
Alter: 56 Jahre.
Wohnort: Schutterwald.
Beruf: Diplomierter Verwaltungswirt, bis 2018 Verwaltungsamtmann im Landratsamt Offenburg. Von 2002 bis 2014 und seit 2019 beim DHB.
Stationen als Spieler: TuS Schutterwald.
Länderspiele: 26.
Erfolge als Spieler: 164 Bundesligaspiele. 1985 WM-Vierter mit Junioren. 1986 und 1989 Bundesliga-Aufstieg mit dem TuS Schutterwald.
Stationen als Trainer: TuS Schutterwald (1995-1999), DHB-Junioren (2002-2011 und seit 2019), DHB-A-Team (2011-2014), Co-Trainer DHB-A-Team (2004-2011), TuS Schutterwald Jugend nach Bedarf.
Erfolge als Trainer: 1996 und 1998 Bundesliga-Aufstieg mit Schutterwald; 2002 deutscher A-Jugend-Vizemeister mit Schutterwald; 2009 und 2011 Weltmeister, 2004 und 2006 Europameister mit den Junioren; 2007 Co-Trainer beim WM-Sieg des A-Teams; 2013 WM-Fünfter mit dem A-Team.
Hobbys: Sport allgemein (Crossfit), Handwerk.
Quelle: handball-server.de
Autor: miqua
Bild: ©Ulrich Marx
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