Der Schutterwälder Oskar Seigel feiert seinen 100. Geburtstag

Stolze 100 Jahre wird der waschechte Schutterwälder Oskar Seigel am Montag alt und feiert dies mit einem großen Fest in Diersburg. Über sein langes Leben könnte man einige Bücher schreiben.

Am Montag feiert der Schutterwälder Oskar Seigel seinen 100. Geburtstag. Der Jubilar schaut mit Zufriedenheit, Dankbarkeit und auch mit Stolz auf sein abwechslungsreiches Leben zurück. Er hat Montagabend zu einer großen Geburtstagsfeier nach Diersburg eingeladen. Das Lokal, das einen großen Saal hat, reicht aber nicht ganz aus, um alle Verwandten, Bekannten, Freunde und Nachbarn an der Feier teilnehmen zu lassen. Deshalb hat er bereits zu einer weiteren Geburtstagsfeier eingeladen.

Oskar Seigel kam am 7. November 1922 in Schutterwald im Elternhaus in der Bahnhofstraße 342 als Sohn von Franz und Anna Seigel (geborene Matt) auf die Welt. Er wuchs mit seinem ein Jahr älteren Bruder Helmut und seiner jüngeren Schwester Erika auf. Oskar Seigel war eines der ersten Schutterwälder Kinder, das im St. Jakob in die Kinderschule ging. In die Volksschule wurde er Ostern 1929 eingeschult. Über die heutigen Klassenstärken kann Oskar Seigel nur schmunzeln, denn sie waren sage und schreibe 64 Kinder in einem Klassenzimmer. Nach der 5. Klasse wechselte er nach Offenburg in die Oberrealschule, das spätere Schiller-Gymnasium.

Es kam alles anders

Er war der Einzige aus seiner Klasse, der nach Offenburg an ein Gymnasium wechselte, wie er sich erinnert. Sein Abitur hätte er im Frühjahr 1942 ablegen sollen, es wurde aber aufgrund des Krieges auf den Herbst 1941 vorgezogen. Der Jubilar hatte seine beruflichen Ziele bereits als Jugendlicher klar definiert, er wollte Sport und Mathematik und Physik studieren. Doch dann wurde Oskar zum Militär eingezogen. Er hatte sich zur Fliegerei gemeldet und kam am 1. Dezember 1941 zum Fliegerausbildungsregiment 102 nach Kaufbeuren. Ab März 1942 ging die Ausbildung im Fliegeranwärterbataillon in Straubing weiter. Nach weiteren Stationen und dem bestandenen Test zur Flugtauglichkeit legte er im Frühjahr 1944 erfolgreich die Prüfung zum Flugzeugführer ab. Am 15. Mai 1944 kam er zum zweiten Jagdgeschwader 104. Seigel flog ab November 1944 als Höhenjäger (bis zu 11.000 Meter Höhe) mit einer Messerschmitt ME 109 G 12 beziehungsweise G 6 an der Ostfront 25 Einsätze.

Im Frühjahr 1945 sollte er an dem neu entwickelten Strahlflugzeug, einer Messerschmitt ME 262, ausgebildet werden. Mangels Kraftstoff konnte dies nicht stattfinden. Für Oskar Seigel war am 10. April 1945 der Krieg zu Ende, denn an diesem Tag wurde sein Flugzeug gesprengt. Im Anschluss begab er sich zu Fuß auf den Nachhauseweg. Nach 650 Kilometer Fußmarsch kam er am 27. April 1945 zu Hause an. Nach dem Krieg stieg er in den elterlichen Betrieb ein, da sein Bruder Helmut, der das Geschäft übernehmen sollte, 1944 in Frankreich fiel.

Oskars Eltern hatten in der Bahnhofstraße eine Lohndrescherei, Lohnsägerei und eine Kohle- und Holzhandlung. Zudem vertrieben sie Seperatoren, Kinderwagen, Nähmaschinen und Fahrräder. „Tag und Nacht habe ich bei den Leuten Holz gesägt“, erzählte er. „Im Spätjahr sind wir mit der Dreschmaschine von Bauernhof zu Bauernhof gefahren.“ Immerhin hatte die Lohndrescherei Seigel etwa 100 Bauernhöfe, wo sie in der Scheune das Korn droschen. Schließlich rentierte sich die Drescherei nicht mehr, weil der Mähdrescher aufkam, sodass 1967 das Dreschen mit der Dreschmaschine eingestellt wurde.

Neues Geschäftsfeld

Im Übrigen war der im Dorf gebräuchliche Spitzname „d’ Kohle Seigel“ von der seit den 1920er-Jahren betriebenen Kohlenhandlung  abgeleitet. Ende der 50er-Jahre begann Oskar Seigel mit dem Verkauf von Heizöl. 1969 kaufte er den ersten Tankzug. Inzwischen fahren bei der Firma Seigel vier große Tankzüge und die Kundschaft ist auf 6500 Abnehmer angewachsen. 1987 übergab der Jubilar das Geschäft an seinen Sohn Walter, inzwischen ist es in den Händen des Enkels Bernhard.

Seigel hatte 1947 Gertrud Schulz geheiratet, die 1962 allzu früh verstarb. Aus dieser Ehe stammt Sohn Walter. In zweiter Ehe war Oskar Seigel mit Walburga Jobs verheiratet, mit der er die Tochter Brigitte sowie die Stieftochter Simone hat. Walburga, die mit ihm durch dick und dünn gegangen war, starb 2011. Neben den beiden Kindern Walter und Brigitte hat Oskar zwei erwachsene Enkel und vier Urenkel. Von der Seite seiner Stieftochter hat der Jubilar weitere sechs Enkel und zehn Urenkel.

Viele Sportarten

Seigel war seit seiner frühesten Jugend sportlich sehr aktiv und erfolgreich. Dem TuS Schutterwald trat er 1933 bei. Er war ein sehr guter Turner und erhielt für Leistungen am Reck und Barren Auszeichnungen. Schlittschuh ist er seit seiner Kindheit gelaufen und hängte die Eisenkufen erst vor acht Jahren an den Nagel. Im „hohen Alter“ von 50 Jahren begann er mit dem Windsurfen. Abfahrtski und Langlaufski betrieb er mit Freude. An der Tischtennisplatte war er über Jahrzehnte aktiv. Nicht zu vergessen ist das Inlinern, das der Jubilar 1992, mit damals 70 Jahren, begann. Erst mit 85 ließ er diesen Sport bleiben. Was er bis vor zwei Jahren nicht bleiben ließ, ist das Tanzen. Oskar und seine Tanzpartnerinnen waren auf allen Tanzböden der Region daheim. Rock ’n’ Roll und Twist waren seine Lieblingstänze.

Seigel ist für sein hohes Alter körperlich recht fit und erfreut sich einer geistigen Frische. Er ist täglich im Dorf unterwegs und immer noch sehr interessiert, was in seinem Schutterwald so passiert. Seine Tochter Brigitte sorgt für ihn und ist mit Oskar auch regelmäßig zu Freizeitaktivitäten unterwegs. Das Geburtstagskind weist darauf hin, dass er keine Geschenke möchte, sondern Geld für die Brandgeschädigten in Diersburg und für soziale Schutterwälder Einrichtungen sammelt.

Oskar hat noch drei Schulkameradinnen, mit denen er Kontakt aufgenommen hat, um eventuell ein baldiges Klassentreffen stattfinden zu lassen.

 

Quelle: bo.de
Autor: Otmar Hansert
Bild: ©Otmar Hansert