Sarfaraz Ahmed aus Pakistan hat sich in Schutterwald integriert

Sarfaraz Ahmed hat nach seiner langen Flucht aus Pakistan in Schutterwald Anschluss gefunden. Die Integration in der neuen Heimat ist auch über die TuS-Handballer gelungen.

Auf dem Tisch liegt ein Foto von 2017. „Da war ich noch schmaler“, lächelt Sarfaraz Ahmed, den alle nur „Sarfraz“ nennen, und greift zum selbstgebackenen Käsekuchen. „Den könnte ich immer essen. Genau wie Linzer Torte. Und Sauerbraten mit Spätzle.“

Der Pakistani, der am 11. August 36 Jahre alt wird, ist in der neuen Heimat angekommen. „Da will ich nicht mehr weg. Da fühle ich mich wohl“, sagt er in hervorragendem Deutsch.

Ahmed hat auch eine andere, eine schwere Zeit erlebt. Eine Flucht, die fünf Jahre dauerte. Dann das langsame Ankommen in Deutschland. „Ich habe mich oft einsam gefühlt und viel geweint.“

Zu Hause hatte er in einer Motorrad-Werkstatt gearbeitet, in Deutschland durfte er lange gar nicht arbeiten. „Dabei wollte ich Geld verdienen.“ Vor allem wollte er sich nützlich machen. Doch der Mann vom indischen Subkontinent war keiner, der sich in der Asylanten-Unterkunft Lise-Meitner-Straße in Bohlsbach verschanzte. „Ich ging aufs nahe Feld, und wenn ich einen Landwirt sah, fragte ich, ob ich helfen kann.“ So kam er mit einem Kumpel auch zum ersten selbst verdienten Geld in Deutschland. „Wir haben nach einem starken Wind vom Baum gefallene Zwetschgen eingesammelt.“ Beide bekamen dafür fünf Euro. „Und alle waren zufrieden.“

Entscheidende Wende

2015 ist Sarfaraz Ahmed nach Schutterwald gekommen. Es war ein Ortswechsel, der seinem Leben noch mal eine entscheidende Wende geben sollte, „weil ich da meinen Euro-Jackpot gewonnen habe“. In dem Fall hatte der keine Nummer, sondern einen bekannten Namen: Heuberger.

Beate Heuberger ist im „Netzwerk Miteinander“ in der Flüchtlingshilfe tätig. Die Frau mit dem außergewöhnlich großen Herzen und der Flüchtling aus Pakistan hatten auf Anhieb einen Draht zueinander. „Er hat mir gleich gesagt, dass sein Ziel ist, dass ihn in Schutterwald alle kennen. Da wusste ich: Er will nicht nur arbeiten und Geld verdienen, sondern sich auch integrieren“, erzählt die Ehefrau von Handball-Trainer Martin Heuberger.

Deutschkurse für Flüchtlinge gibt es nicht umsonst. Und einer, der nur ein Taschengeld zur Verfügung hat, wägt da schon mal ab, wofür er die paar Euro ausgibt. Auch Sarfaraz Ahmed, der zuvor nur Urdu gesprochen hat, war in Bohlsbach bloß kurz bei einem Kurs dabei. „Da waren so viele Leute. Ich kann kein Englisch. Ich habe nichts verstanden.“

Familienanschluss

In Schutterwald bietet das Netzwerk den Flüchtlingen, die oft Analphabeten sind, kostenfreie Kurse an. Beate Heuberger, die gelernte Masseurin, besorgte sich Unterlagen im Internet, bot einen Sprachkurs an und erlebte  eine große Enttäuschung. „Sarfraz war der Einzige, der wollte.“ So erhielt der Pakistani einen Intensivkurs mit Familienanschluss – er sollte für ihn der Euro-Jackpot sein, wie er offen zugibt.

Schnell war der erwachsene Mann in die Familie Heuberger integriert. Während Beate die strenge Lehrerin war, erzählte Martin bei Kaffee und Kuchen aus seinem bewegten Handball-Leben. Für den Mann aus dem fernen Pakistan, mit Cricket als Nationalsport, eine ganz neue Welt. Und da waren natürlich die Söhne Felix und Tim, die so völlig anders lebten als Sarfaraz Ahmed. Sie zeigten ihm auch den Weg in die Mörburghalle.

„Vor allem Tim hat nicht locker gelassen. Er hat mich immer mit in die Halle genommen“, berichtet Ahmed. Irgendwann war der 1,95-m-Hüne beim TuS Schutterwald nicht nur Zuschauer, sondern auch Spieler in der dritten Mannschaft und vor allem Hallenwischer bei den Spielen der ersten Mannschaft, womit er sich in der Handball-Szene gleich einen Namen machte. Als seine Teamkollegen nach dem Training und den Spielen beisammen standen, hielt sich der Pakistani zunächst aber noch schüchtern im Hintergrund. „Doch auch hier hat mich Tim immer wieder dazu geholt.“ Am Ende der Saison war er bereits beim Abschlusswochenende in einer Hütte im Schwarzwald dabei und fühlte sich erstmals in seinem Leben wie im Urlaub. Heute sagt er: „Der TuS ist meine Familie.“

Den Eintritt in einen Verein, ob sportlicher oder kultureller Art, sieht der Flüchtling als wichtigen Schritt der Integration. „Man lernt viele Menschen kennen, lernt die Sprache, bekommt Kontakte und ein Netzwerk, das hilft.“

Über den TuS hat er auch seine berufliche Erfüllung gefunden. Ab dem Tag, an dem er offiziell arbeiten durfte, hat er es auch getan und über einen Vereinskontakt schließlich eine Lehrstelle als Maschinen- und Anlagenführer bei Tesa erhalten. Die Berufsschule, gibt er zu, sei schwierig gewesen, aber die praktische Prüfung hat er mit 1,0 bestanden sowie beste Zeugnisse an seinen vier Ausbildungsstationen und am Ende einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten. „Ich hatte tolle Arbeitskollegen und Vorgesetzte, die mich immer unterstützt haben, und Lehrer, mit denen ich immer reden konnte“, sagt Sarfaraz Ahmed, der in einem Zeugnis sogar „als bester Auszubildender, den ich je gehabt habe“ beschrieben worden ist.

Führerschein gemacht

Durch seine Lehre hat er schließlich auch die „berufsbezogene Aufenthaltsgestattung“ erhalten. „Wenn ich brav bin, kann ich jetzt nicht mehr abgeschoben werden“, lacht der Mann, den alle stets fröhlich, hilfsbereit und zuverlässig erleben. Und vor allem wissbegierig. Er hat in Deutschland neben der Ausbildung den Kranführerschein und den Staplerführerschein gemacht und auch den PKW-Führerschein. Für den gab es unzählige Lernstunden mit Beate Heuberger („ich habe ihn gestrietzt“), die zwischendurch auch mal Fragen mit Zeichnungen beantwortete.

Doch irgendwann in dieser Zeit wurde das Leben in der Schutterwälder Flüchtlingsunterkunft herausfordernder. Es gab keine Privatsphäre, die Gespräche gingen nur in eine Richtung. „Sarfraz muss da raus“, fand Beate Heuberger und bot Ahmed eine Bleibe im eigenen Haus an. Felix war gerade ausgezogen. „Und nach einer Renovierung bin dann ich eingezogen“, lacht der Pakistani. Und endgültig in der Familie Heuberger angekommen. Beate ist längst die „Mama“, mit Felix und Tim hat der in einer Familie mit acht Kindern aufgewachsene Ahmed, zwei weitere „Brüder“ gewonnen, auf die er stolzer nicht sein könnte. Familienfeste werden gemeinsam gefeiert, und als wegen Corona das traditionelle Krippenspiel an Heiligabend in der Langhurster Kirche ausfallen musste, war der Moslem im katholischen Hause Heuberger am traurigsten.

Alte Heimat fremd

Im Januar 2022 ist Sarfaraz Ahmed auf Urlaub nach Pakistan zurückgekehrt, das nach wie vor von großen politischen Unruhen und Korruption geprägt ist. So sehr er nach zwölf Jahren das Wiedersehen mit seiner Familie genossen hat, so fremd war ihm aber die alte Heimat geworden. „Ich habe mich weiterentwickelt, doch in meinem Land hat sich nichts verändert. Ich habe mich danach gefreut, wieder zu Hause zu sein.“

Das ist mittlerweile allerdings nicht mehr Schutterwald. Zum neuen Leben des Sarfaraz Ahmed gehört auch seine deutsche Freundin Corinna, mit der er seit über einem Jahr in Friesenheim zusammenlebt und die mit ihm die Integration in der neuen Heimat fortsetzt. Doch den Schlüssel vom Heuberger’schen Haus in Schutterwald hat er immer noch, und weil der TuS künftig eine vierte Mannschaft ins Rennen schickt, will er das Handball-Training auch wieder forcieren.

Sarfaraz Ahmed ist also weiterhin in Schutterwald anzutreffen und hat – auch des Handballs wegen – geschafft, was er sich einst zum Ziel gesetzt hat: „Mich kennen jetzt alle in Schutterwald.“

Zwei Burger zur Begrüßung

Bei seiner Flucht nach Deutschland ging Sarafraz Ahmed zu Fuß am Rande der Autobahn von Salzburg nach München, während ihn Autofahrer hupend überholten. „Ich dachte: Die sind aber freundlich“, schmunzelt der Pakistani heute noch über den ersten Fauxpas in der neuen Heimat.

Das erste Essen gab es direkt danach von zwei Polizisten, die ihn festgenommen und zum Verhör aufs Revier gebracht haben. „Ich hatte zwei Tage lang nichts gegessen, und die haben mir zwei Burger besorgt. Solche freundliche Polizisten kannte ich aus Pakistan nicht.“

 

Quelle: bo.de
Autor: Michaela Quarti
Bild: ©Faruk Ünver